Miriam Vlaming in der Neuen Galerie Gladbeck – kunst & gut 08/25
Autor: Thomas Hirsch
Endlich wird die Malerei von Miriam Vlaming im Ruhrgebiet umfassend vorgestellt. Vlaming wurde 1971 in Hilden bei Düsseldorf geboren. Sie hat dort und vor allem an der Hochschule für Grafik und Buchkunst in Leipzig bei Arno Rink studiert und wird der Neuen Leipziger Schule zugerechnet. Dass ihre figürlichen Bilder sehr eigene Geschichten erzählen und, durchsetzt mit Abstraktionen, einen einzigartigen Klang besitzen, verdeutlicht nun ihre Ausstellung in Gladbeck. Etwa in „I Feel You“ (2025), dem jüngsten der dortigen Gemälde. Es zeigt zurückgesetzt eine Personengruppe in feierlichen Anzügen und Kleidern, wie zum Picknick zusammengerückt. In skizzenhaft präziser Notation gesehen von oben, scheint es sich – über das kunsthistorische Zitat hinaus – um eine Erinnerung aus vergangenen Tagen zu handeln, die noch von expressiv gestischen, verhalten farbigen Flächen und Splittern der Natur umfangen ist. Über all dem steht der Titel in Druckbuchstaben. Er grenzt das Geschehen nach vorne hin ab. Zugleich eröffnet sich wie aus dem Off ein Dialog zwischen den Betrachtern und dem Bildgeschehen, dort wo das Wissen durch das Ahnen und Spüren ersetzt ist.
Wie so oft bei Miriam Vlaming wirkt dieses Bild wie aus der Zeit gefallen. Wir sehen auf ihren Gemälden inmitten reiner Malerei Geschehnisse, die wir etwa in den Abenteuerbüchern und Träumen unserer Jugend verorten. Dazwischen aber finden sich Hinweise auf die heutige Zeit, die Beschleunigung des Lebens und unseren Expansionsdrang, unser prekäres Verhältnis zur Natur und den Verlust sinnlicher Erfahrung. Mit pulsierenden Details und der Theatralik aus Bildlicht und Lichtpunkten halten ihre Malereien die Balance zwischen Nähe und Ferne, Vertrautheit und Fremdheit. Mitunter vermitteln sie einen exotischen Klang, etwa wenn rituell geschminkte Mitglieder eines afrikanischen Stammes auftreten oder sich ein Dschungel und die Küste eines Meeres hinter oder vor einer Menschengruppe aufbauen. Eine zentrale Rolle spielen die Elemente der Natur, zugleich werden Erinnerungen und die Fantasie angeregt, man denkt etwa an Expeditionen. Vielen der Bilder von Vlaming liegen alte Fotografien aus dem kollektiven Fundus und aus persönlichen Alben zugrunde, wobei sie sich im Malprozess von den Vorlagen löst. Sie malt bevorzugt mit Eitempera, die sie in Lasuren aufträgt. Zugleich lässt sie die Farbsubstanz tropfen und in Rinnsalen fließen, sodass Teile des Gegenständlichen in der Malerei verschwinden – oder aus ihr herauswachsen. Oft kennzeichnet die Figuren etwas Geisterhaftes. Auf unfesten Gründen, umfangen von einem dämmerigen, nebeligen, aber von Sternen erleuchteten Raum wirken sie flüchtig erfasst, verblichen und instabil, wie vorübergehend.
Die souverän kuratierte Ausstellung in Gladbeck umfasst Gemälde seit 2005, ohne mit dem Anspruch einer Werkschau aufzuwarten. Jedes Bild steht für sich, aber eines leitet zum anderen und beeindruckt durch das malerische Vermögen, die sinnliche Attraktivität und die existenzielle Botschaft. Und durch die Geheimnisse, die inmitten der Farben aufblitzen.
Miriam Vlaming | bis 15.8. | Neue Galerie Gladbeck
